Müssen wir wirklich so resilient sein, wie es uns zig Fachbücher, Coachings und Seminare suggerieren?
(Resilienz (vom lateinischen „resilire“ = zurückschnellen, abprallen) bezeichnet in der Psychologie die seelische Widerstandskraft.)
Ich habe einen latenten Widerstand gegen das Konzept der vielbeschworenen Resilienz - und das als Coach mit einer Weiterbildung zur Resilienz-Trainerin. Der Begriff der Resilienz kommt aus der Werkstoffkunde und beschreibt den Umstand, dass ein Stoff nach einem Einfluss von außen wieder in seine ursprüngliche Form zurückschnellt. Wenn ich also in ein Sofakissen boxe, ist dieses danach nicht kaputt oder verformt, sondern höchstens ein bisschen zerknautscht und lässt sich danach wieder in seine ursprüngliche Form bringen.
Menschen sind aber keine Sofakissen! Wenn uns schlimme, traurige oder traumatische Sachen passieren, hinterlässt das in der Regel Spuren. Das heißt nicht, dass das Leben nicht auch nach einem Verlust oder einer großen Erschütterung wieder wunderschön und kostbar sein kann - im Gegenteil, oft wissen wir nach einer harten Phase das Glück wieder viel mehr zu schätzen. Und oft wachsen wir in solchen Phasen und erwerben Kompetenzen, die wir ohne Schicksalsschläge in der Ausprägung vielleicht gar nicht erlernt hätten. Das heißt, wir schnellen nicht zurück, sondern wir entwickeln uns im besten Falle nach einer Krise oder durch die Krise sogar weiter und sind im besten Falle stärker als zuvor. Nicht umsonst gibt es den Begriff des Posttraumatischen Wachstums. Ob das durch Zurückschnellen oder Abprallenlassen (vom lateinischen „resilire“ = zurückschnellen, abprallen) geschieht, wage ich arg zu bezweifeln.
Es gibt nach aktuellem Stand sieben Faktoren, die darüber bestimmen, wie resilient wir sind.
Diese sieben Säulen der Resilienz sind
- Akzeptanz/Annahme
- Optimismus/Zuversicht
- Lösungsorientierung
- Selbstwirksamkeit
- Verantwortung
- Beziehungen/Einbettung
- Ausrichtung/Vision
Je ausgeprägter diese Eigenschaften sind, desto resilienter sind wir. Wer jetzt denkt, oha, das alles muss ich sein? Und dann auch noch mitten in einer schweren Krise? Nein! Es ist meiner Meinung nach nicht möglich und auch nicht nötig, alle diese Faktoren gleichermaßen ausgeprägt zu haben. Meine Säule der Lösungsorientierung und die der Vision sind z.B. auch in dunklen Phasen sehr stabil – die Säule der Zuversicht kann schon mal wackeln aber die Lösungsorientierung in Kombination mit der Fähigkeit, an einer Vision festzuhalten, kann das gut ausgleichen.
Vor kurzem habe ich einer Klientin diese Säulen vorgestellt und wir sind bei Optimismus/Zuversicht hängen geblieben. Diese Säule fand meine Klientin bei sich quasi nicht vorhanden. Meine Klientin hat aber den tollsten Humor – und wir fanden beide, dass man die zweite Säule großzügig auch noch um den Faktor Humor anreichern kann. Und schon war die zweite Säule sehr tragfähig.
Ich glaube an die Möglichkeit, seine Resilienz zu trainieren. In Krisenzeiten und auch einfach so. Und gleichzeitig bin ich der Meinung, dass es okay ist, wenn das Leben Spuren hinterlässt.
Was glaubst du, sind deine stabilsten Säulen?
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