Der Schlosspark Charlottenburg war jahrelang mein zweites Wohnzimmer. Ich war dort joggen und spazieren, alleine und mit lieben Menschen. Ich habe dort Musik gehört, ich habe gelesen, ich hatte dort schöne Begegnungen, habe tiefe Gespräche geführt mit neuen und alten Freunden und großen Lieben. Ich habe dort vor vielen Jahren auf stundenlangen Spaziergängen einen tiefen Kummer verarbeitet, ich habe monatelang eine Schwanenfamilie beobachtet, zuerst die brütende Schwanenmutter, dann die kleinen Schwäne im Nest, später wie die ganze Schwanenfamilie über den Teich schwamm, und während die Schwäne flügge wurden, heilte auch mein lädiertes Herz.
Ich habe wichtige Entscheidungen dort getroffen – mein Kopf, mein Bauch, mein Herz und ich gemeinsam – ich habe mich dort auf dem zugefrorenen Wasser im Winter neu verliebt, die Füße schlitternd, die Hände einander haltend, das Herz heftig schlagend. Ich habe dort beide Male meinen Kinderwagen die Gänge entlanggeschoben, 2010 und 2014, manchmal überglücklich, manchmal furchtbar erschöpft, bei Sonnenschein und bei Regen. Ich hatte dort eine Zeit lang einen Lieblingsbaum, der mein Schreibbaum war, denn an ihn gelehnt konnte ich ewig sitzen und schreiben; der Baumstamm passte perfekt zu meinem Rücken und umgekehrt. Ich war dort mit meiner Babytochter in einer Sportgruppe für Mütter und sie hat gegluckst vor Freude und Neugierde, wenn sie die anderen Babys sah – meine kleine schon immer so unternehmungslustige und lebensfrohe Tochter. Ich habe mit meinem Babysohn dort manchmal Picknick gemacht und er hat oft ruhig auf der rot-grün-karierten Decke gelegen und später dann gesessen, Grashalme befühlt, Steine untersucht und zwischendurch haben wir uns angelächelt und ich dachte, was für ein Glück ich doch hatte mit meinem staunenden kleinen Sohn, der genauso gerne still beobachtete und es noch immer tut wie ich selbst es auch schon immer getan habe.
Heute ist der Schlosspark manchmal mein Arbeitszimmer. Ich war schon vor Corona davon überzeugt, dass Coachings an der frischen Luft und in Bewegung mitunter etwas ganz anderes bewirken können als Gespräche in einem geschlossenen Raum im Sitzen, aber nun kommt noch der Aspekt hinzu, dass es sich für viele Menschen sicherer anfühlt, sich draußen zu treffen. Während wir einen Fuß vor den anderen setzen, bewegt sich auch in uns oft etwas – ganz langsam, ganz beiläufig, Schritt für Schritt. Wollen wir ein Stück gemeinsam laufen?
Oder wie Christian Morgenstern sagte: „Gedanken wollen oft – wie Kinder und Hunde –, dass man mit ihnen im Freien spazieren geht.“
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