Worte können poetisch sein, verletzend, berührend, motivierend, tröstlich, demotivierend. Sie können uns zum Lachen bringen, zum Weinen, zum Staunen und zur Weißglut. Manche von uns können mit Worten jonglieren und sich schriftlich und mündlich gut ausdrücken. Manche von uns sind schlagfertig und eloquent, sie wissen immer, was zu sagen ist. Andere von uns meinen vielleicht, dass sie zu viel sagen und sich nicht zügeln können. Wieder andere von uns verstummen, wenn sie nervös, wütend oder traurig sind. Sie finden nicht die scheinbar richtigen Worte und fühlen sich unter Druck gesetzt, wenn andere Antworten und Äußerungen von ihnen verlangen.
Sprache ist so individuell, aber eines ist sie immer: machtvoll. Jeder von uns kann sich wahrscheinlich an Worte erinnern, die sitzen. Auch Jahre später noch. Im besten Fall waren es Worte, die uns positiv geprägt, geweckt, geleitet und inspiriert haben. Im schlechtesten Fall waren es Worte, die uns getroffen haben. Und oft weiß der Absender gar nichts von seiner Macht.
Ein Beispiel: vor ein paar Monaten war ich mit meiner vierjährigen Tochter bei einer Probestunde in einer Kindertanzschule. Die Lehrerin versuchte, den vier- bis fünfjährigen Mädchen spielerisch Ballett nahezubringen. Dabei sagte sie Sachen wie „Wir ziehen den Bauch ein und verstecken unser Mittagessen!“ Später spielten die Mädchen Picknick und die Lehrerin kommentierte – eine imaginäre Teetasse in der Hand, den kleinen Finger abgespreizt – „Tänzerinnen essen immer ganz wenig. Keinen Kuchen, nur Obstsalat!“
Zum Glück fühlte sich meine Tochter dort nicht wohl und ich meldete sie nicht an – diese Äußerungen gefielen mir gar nicht und passten nicht zu dem Lebens- und Körpergefühl, das ich meiner Tochter vermitteln will. Mit der Begründung sagte ich dann auch ab. Kurz dachte ich, ob ich nicht zu kritisch sei und ob ich als Erwachsene diesen Worten vielleicht zu viel Bedeutung beimaß, während es für die Mädchen vielleicht einfach nur ein Spiel war.
Ich hatte den Vorfall so gut wie vergessen, bis meine Tochter vor ein paar Tagen ganz betrübt beim Essen sagte „Tänzerinnen essen immer nur ganz wenig, oder?“ Ist es nicht erschreckend, wie schnell so ein einmal gesagter Satz bei einem kleinen Menschen hängen bleibt? Und nun stelle man sich vor: es gibt Mädchen, die diesen Satz über Jahre hinweg regelmäßig in der Tanzschule hören. Ein gestörtes Essverhalten scheint mir hier vorprogrammiert.
Und ich finde, dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, was Sprache für ein machtvolles Instrument ist. Achtsame und wertschätzende Kommunikation – das tut uns allen gut und trotzdem vergessen wir es oft im stressigen Familien- und Berufsalltag. Und gerade jetzt zur Weihnachtszeit, in der viele Menschen gerne andere beschenken: wie wäre es denn mal damit, Komplimente zu verschenken? Wertschätzung? Aufmerksamkeit?
Bei wem möchten Sie sich für was bedanken? Welches Kompliment bekämen Sie gerne einmal gesagt? Welches Kompliment möchten Sie verschenken? Was wünschen Sie sich wirklich? Was wünschen Sie Ihren Liebsten? Was ist das Schönste, das Wertvollste, das Tröstlichste, das Berührendste, das Prägendste, das je jemand zu Ihnen gesagt hat? Was ist das Schönste, das Sie jemandem sagen könnten?
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